Ein benediktinischer Impuls von M. Sophia

Anlässlich der Mitgliederversammlung unseres Fördervereins im Juli gab M. Sophia einen Impuls, den Sie mit „Damit in allem Gott verherrlicht wird“ überschrieb. Hier können Sie ihn nachlesen.
Damit in allem Gott verherrlicht wird – Ut in omnibus glorificetur deus (RB 57,9)
Benediktinischer Impuls anlässlich der Fördervereinssitzung am 16. Juli 2022
Am Schluss unserer diesjährigen Mitgliederversammlung soll ein Wort aus der Benediktsregel stehen, welches uns Antwort zu geben vermag auf unsere gegenwärtige Zeit und, wie ich meine, richtungsweisende Perspektiven für unseren Weg in der Nachfolge Jesu eröffnen kann.
Am vergangenen Montag, also am 11. Juli, haben wir den Hl. Benedikt als Schutzpatron Europas gefeiert. Da denkt man natürlich ganz automatisch an die fruchtbare und segensreiche Schaffenskraft und das kulturell-geistig-geistliche Wirken der Benediktiner in den vergangenen Jahrhunderten, an ihr bis heute prägendes und bedeutsames missionarisches Wirken im europäischen Raum und natürlich weit darüber hinaus weltweit. Manche prachtvollen Abteien zeugen bis heute von der glorreichen und einflussreichen Zeit der Benediktiner, so etwa auch die bedeutende Abtei Corvey, die sich in diesen Wochen auf den Beginn der Feier ihres 1200jährigen Jubiläums vorbereitet.
Im Blick auf diese enorme missionarische, Völker verbindende und Frieden stiftende Kraft der Benediktiner in Europa legt sich die Frage nahe, wodurch das alles möglich wurde, aus welcher inneren Quelle die Mönche damals geschöpft haben, was ihnen die Energie zu dieser Schaffenskraft gab und welche Vision sie hatten. Natürlich könnte man dazu jetzt viel sagen und aus der Benediktsregel anführen. Das ist in der Kürze der Zeit hier nicht möglich.
Ein Leitwort jedoch aus der Benediktsregel möchte ich benennen, das mir in diesem Zusammenhang besonders bedeutsam erscheint und das in seiner Zeitlosigkeit auch uns Christen heute Richtungsweisendes sagen kann. Ich meine das berühmte Wort:
Damit in allem Gott verherrlicht wird – Ut in omnibus glorificetur deus.
Dieses Wort, ein Zitat aus dem 1. Petrusbrief (1 Petr 4,11), hat Geschichte gemacht. Es ist ein Lebensmotto der Benediktiner bis heute. In Form der Abkürzung UIOGD findet es sich am Anfang oder Ende manch eines Buches, an Türeingängen oder als Gebäudeinschrift. Benedikt setzt dieses Schriftwort an das Ende eines Kapitels, in dem er über Handwerker im Kloster und die Ausübung der handwerklichen Gaben und Talente spricht (RB 57). Wie bei allen anderen Regelkapiteln auch, in denen Benedikt bestimmte Personengruppen und Dienste in den Blick nimmt – Dienst des Abtes, des Krankenbruders, des Cellerars, des Gastbruders und so fort – geht es hier um Aussagen und Haltungen, die dem angesprochenen Personenkreis aber auch genauso allen anderen Mitgliedern der Gemeinschaft zugesagt sind.
Was meint also dieses Wort „Damit in allem Gott verherrlicht wird“? Was kann es uns sagen? Drei Gedanken dazu.
Ein erster Gedanke: Wer nach diesem Leitsatz sein Leben ausrichtet, der glaubt an eine Wirklichkeit, die über das irdisch Sichtbare hinausweist in das Transzendente, die göttliche Wirklichkeit. Er glaubt, dass Gott in allem Tun und Handeln präsent und überall gegenwärtig ist. Er weiß um seine Endlichkeit und ist sich seiner Gottebenbildlichkeit und Würde bewusst entsprechend den Worten des Beters von Psalm 8: „Du hast ihn (den Menschen) nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit.“ (Ps 8,6). Wer so beten kann, erkennt seine Rolle und Verantwortung im Schöpfungsplan Gottes und bringt sich mit den ihm von Gott geschenkten Gaben und Talenten ein. So werden Orte geschaffen, wo Gottes Herrlichkeit erfahrbar wird.
Ein zweiter Gedanke: Benedikt ist Realist; er weiß um die Gefährdung des Menschen und er weiß, dass es dem Menschen gar nicht so leicht gelingt, die Verherrlichung Gottes mit dem eigenen Leben zu realisieren. Benedikt benennt in dem besagten Kapitel über die Handwerker die Gefahr der Habgier. Das Haben-wollen, die Gier nach Erfolg, die unersättliche Gier nach immer mehr: Besitz, Ansehen oder Profit, die Sorge um das eigene Ego stecken tief im Menschen und können leicht zur bestimmenden Kraft werden. Der Mensch ist dann auf sein Ego fixiert und sieht nur sich selbst. Gott rückt aus der Mitte seines Lebens, anderes hat erste Priorität.
Leere, Unerfülltheit, Angst um die Zukunft und das eigene Leben, Krieg, Hass, Ellenbogenmentalität, rücksichtslose Ausbeutung der Schöpfung und der Geschöpfe sind die Folge. Beispiele dafür finden sich aktuell genug. An die Stelle der Verherrlichung Gottes tritt die Selbstherrlichkeit des Menschen. Die göttliche Ordnung wird verkehrt in das menschliche Tohuwabohu.
Auch ist Verherrlichung Gottes etwas anderes als das korrekte und bloße Einhalten von Vorschriften, Normen, Riten und Geboten. Das macht Benedikt in diesem Kapitel 57 deutlich mit seinen Angaben zur Preisgestaltung beim Verkauf der Waren. Die Handwerker dürfen die Ware weder zu überhöhten Preisen verkaufen, das wäre Habgier, noch sollen sie die Ware zum allgemein üblichen Preis abgeben. Stattdessen soll die Ware immer etwas billiger verkauft werden als sonst außerhalb des Klosters üblich. Darin zeigt sich eine Haltung, die alles, auch das eigene Leben, als Gabe Gottes versteht. Sie ist Ausdruck der sich verschenkenden Liebe Gottes. Gottes Geist drängt dazu, diese Liebe großzügig durch das eigene Tun weiterzugeben und anderen damit zu dienen. Mit den Worten des 1. Petrusbriefes: „Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat. Wer redet, der rede mit den Worten, die Gott ihm gibt; wer dient, der diene aus der Kraft, die Gott verleiht. So wird in allem Gott verherrlicht durch Jesus Christus.“ (1 Petr 4,11).
Ein dritter Gedanke: Der Schlüssel zu einem Leben, das in allem Gott verherrlicht, ist die Demut. Es ist der Weg Jesu. Es ist ein Weg der Umkehr und der Wandlung. Benedikt ist die Einübung der Demut ein so großes Herzensanliegen, dass er den Abt anweist, bei fehlender Demut einen Handwerker sein Handwerk nicht ausüben zu lassen, bis der Betreffende Demut gelernt hat.
Ist es nicht das, was die Menschheit gerade schmerzlich wieder lernen muss: Demut? Anzuerkennen, dass der Mensch nicht Gott ist, sondern ein endliches, von Gott geschaffenes Wesen. Ist es nicht das, was unsere Kirche aktuell lernen muss: Demütig zu werden und offen zu sein, sich wandeln zu lassen ohne zu wissen, wohin der Weg führt? „Damit in allem Gott verherrlicht wird.“ (RB 57,9)!
Äbtissin Sophia Schwede OSB
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